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zur kritischen männlichkeit
october 2021 
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Wiedermal so ein Begriff, der stets in der Öffentlichkeit herumschwirrt, schwierig zu definieren ist und gleichzeitig auch, wie öfters der Fall bei feministischen Thematiken, für rote Köpfe sorgt. Nun denn, was für eine Stellung beziehe ich, ein cis-Mann, der sich explizit als Feminist (selbst)bezeichnet, zu diesem Terminus?

Zuerst würde ich zwei Ebenen festlegen wollen, auf welchen die kritische Männlichkeit als Idee/Konzept greift: nämlich auf einer politischen/öffentlichen und einer sozialen/persönlichen. Diese sind verknüpft und keineswegs so scharf zu trennen, doch sind die Schwerpunkt der jeweiligen Sphäre ein bisschen anders zu setzen. Beide Ebenen sind jedoch notwendig, wenn es darum geht – und dies ist meiner nach die Quintessenz der kritischen Männlichkeit – herkömmliche und etablierte Männlichkeitsideale zu hinterfragen, zu durchbrechen und in einem nächsten und ultimativen Schritt zu überwinden.

Was sind das für Ideale, die es zu durchbrechen gibt? Hier eine Reihe von Begriffen, die verschiedene Aspekte von Männlichkeit problematisieren und/oder beschreiben: hegemoniale Maskulinität, toxische Maskulinität und Herrschaftsform des Patriarchats.
Nun folgt eine vereinfachte Kontextualisierung dieser drei Begriffe.

    - Mit hegemonialer Maskulinität ist die Hierarchisierung von verschiedenen Maskulinitäten gemeint bei welcher die cis-, heterosexuelle, traditionell geprägte, testosteron-geladene, inhärent misogyne und rassistische Männlichkeit an der Spitze positioniert wird. So wird diese als erstrebenswert und massgebend dominant, sprich hegemonial, beschrieben.

       - Die toxische Maskulinität beschreibt hingegen Aspekte von Verhalten – auch der hegemonialen Männlichkeit – welche toxisch gegenüber einer gesamten Gesellschaft aber auch den Männern selbst wirkt. Darunter fallen Denkbilder wie:

            «Männer dürfen nicht weinen/keine Schwäche zeigen», 
            «Männer wollen immer Sex», 
            «Männer sind per definitionem nicht überfordert oder hilflos»


       - Zum Abschluss, wage ich mich an den Begriff des Patriarchats selbst, welches ein System beschreibt, in welchem ‘der Mann’ eine bevorzugte Position innehat, dieses prägt, kontrolliert, repräsentiert und perpetuiert. Dies auf Kosten von marginalisierten Gruppierungen, wie FLINT* (Frauen, Lesben, Inter Menschen, Nichtbinäre Menschen und Trans Menschen) und PoC (People of Color).  

Wie gehen wir nun all diese Aspekte (und viele mehr, die hier keinen Platz finden) auf den zwei Ebenen an?

Zuerst gilt es die momentan (und seit hunderten von Jahren) vorherrschenden die Macht- und Herrschaftsstrukturen zu erkennen. Als Mann heisst dies des Weiteren, dass man(n) sich seinen Privilegien bewusst wird. Hierzu kommen aber auch systematische Änderungen der feministischen, anti-patriarchalen Revolution wie Quoten für marginalisierte Gruppierungen, die (monetäre) Wertschätzung für Care-Arbeit, die Einführung einer Elternzeit, das Recht auf Ehe für alle und andere politische Initiativen, welche sich man(n) bis anhin nie gross Gedanken dazu machen musste.

Auf der sozialen/persönlichen Ebene greift die kritische Männlichkeit viel gezielter in unseren Habitus ein. Hier geht es hauptsächlich darum sich mit seiner Männlichkeit auseinanderzusetzen, sich grundsätzlich Fragen zum Mann-sein zu stellen und gleichzeitig auch Verhalten von sich und seines Umfelds, welches toxisch ist, explizit benennen zu können. Die Kritik hat hier einen emanzipatorischen Wert, in dem man(n) sich ein Bewusstsein schafft, was für gesellschaftliche Erwartungen an ihn herangetragen werden, inwiefern diese viel mehr schaden als nützlich sind, und ein freieres Ausleben seiner selbst ermöglicht wird.

Abschliessend würd ich für die kritische Männlichkeit als Tool oder Instrument eine Lanze brechen wollen. Durch sie findet eine äusserst wichtige Auseinandersetzung von Männern mit ihrer Position in der Gesellschaft statt, welches ich als elementaren Teil für die Allyship zur feministischen Bewegung ansehe. Des Weiteren sehe ich in ihr das Potenzial, dass die heterogene Gruppe ‘Männer’ und ihre verschiedensten Auslebungen von Männlichkeiten in ihrer Pluralität als gleichwertig und legitime Varianten betrachtet werden.

*Der Autor dieses Textes versteht die Kategorisierung Frau/Mann als soziale Konstrukte und lediglich als ein Übergang zu einer genderless-en feministischen Utopie, dann Realität.